Objektive Bewerbungsverfahren – ein Trend der Zeit

Objektive Bewerbungsverfahren sind zum Jahresende noch einmal Thema im Standard, inklusive der Kriterien bei der Jobvergabe. Trotz aller Nachteile und kultureller „Neuerungen“ geht der Trend weiter in die anonymisierte und objektivierte Richtung. Warum? Weil einerseits die objektivierte Besetzung bessere Ergebnisse verspricht (wenn richtig eingesetzt) und  andererseits das derzeit oftmals gehandhabte Prozedere so oft schiefgeht, dass eine Neuausrichtung dringend angebracht scheint. Kleinere Unternehmen, die nicht so oft mit Neubesetzungen zu tun haben, riskieren weiterhin fleißig drauflos, in großen Unternehmen wird oft schon fleißig an entsprechenden Neuerungen getüftelt.

Wonach wird momentan oft entschieden?

  • Foto
  • Beziehungen
  • Sympathie
  • lückenlose Laufbahn

Die Berücksichtigung dieser „Kriterien“ ist nur mäßig hilfreich bei der Beantwortung der Frage, wer am besten auf diesen oder jenen Job passt.

Ein neuer Trend ist das Bewerberprofil mit Angaben zu Interessen, Stärken und Persönlichkeit. Diese Bereiche soll bzw. sollte das Motivationsschreiben abdecken, tut es aber meistens nicht, weswegen die Unternehmen konsequenterweise oft auch schon reine Lebenslaufbewerbungen akzeptieren.

Wenn man nun „richtig“ vorgehen möchte – wie tut man also? Die Ökonomin Iris Bohnet von der Universität Harvard schlägt in einem Beitrag zur Gender Equality vor,

  1. die Stellenanzeige zu prüfen, ob bestimmte Gruppen besonders angesprochen werden und ob sich diese dann auch bewerben.
  2. Die zuvor anonymisierten Lebensläufe werden nun bewertet.
  3. Nach Möglichkeit Probearbeiten bei der Bewertung berücksichtigen.
  4. Beim persönlichen Treffen – ohne vorherige Auflösung oder Zuordnung der Lebensläufe (!) – allen die gleichen Fragen zum Tätigkeitsfeld stellen und ein Punkteranking erstellen.

Bis zur praktischen Umsetzung bei uns wird noch einige Zeit vergehen, und auch die Erfolgschancen und „Gefahren“ sind noch nicht abschließend beschrieben. Zusätzlich geht man bei Personalentscheidungen gerne auf Nummer Sicher und mit neuen Verfahren setzt man sich automatisch auch viel Kritik aus, wenn es denn doch einmal schiefgeht. Da lassen wir es lieber bleiben…

Bis dahin plagen wir uns noch verstärkt mit dem „unconscious bias“, den unbewussten Entscheidungsfiltern, die uns definitionsgemäß nicht bewusst sind. Wir entscheiden uns beispielsweise häufig für Kandidaten, die uns ähnlich sehen. Oder wir bevorzugen Bewerber, die uns ähnlich sind, die aber weniger können, damit sie uns nicht gefährlich werden können (der sogenannte Mini-Me-Effekt).

Schritt eins zur Besserung: Nicht mehr die Augen verschließen und sich damit auseinandersetzen, dass in uns Programme ablaufen, die unsere Entscheidungen sehr subjektiv machen, und das wiederum macht uns in unserem Job, die besten Menschen für Positionen zu finden, nicht besser.