Der Arbeitsmarkt verzeiht keine Fehler … und nicht nur der, könnte man sagen

  von in Wirtschaft & Arbeitsmarkt

Basisartikel im Standard vom 22. Februar 2017, abgerufen über www.pressreader.com Es wird das Beispiel eines Jugendlichen gegeben, der mit 16 Jahren erlebt, wie seine Familie zerbricht und der daraufhin in vielen Bereichen scheitert, bis er schließlich Kontakt mit dem Justizsystem hat.

Mit 17 nimmt er neuen Anlauf und absolviert eine überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA), wurde zum Musterschüler und – fand einfach keinen Job mehr. Eine nicht „normale“ Lehre ist schon verdächtig, trotz Engagement und vieler Bemühungen war kein Job zu finden. Ein kleiner Makel im Lebenslauf genügt also schon, um „rauszufliegen“: Eine – unerklärte – Arbeitspause, zu viele Jobwechsel, zu seltene Jobwechsel, Branchenwechsel, Umzüge, bei Frauen gebärfähiges Alter, Betreuungspflichten allgemein, die Tatsache einer aktuellen Arbeitslosigkeit an sich, zu wenig Berufspraxis, zu teuer und vieles mehr sind Gründe dafür, keinen Job (mehr) zu bekommen.

Übrig bleiben männliche verheiratete Österreicher mit gutem Lebenslauf, tadelloser Herkunft und ohne irgendwelche Beeinträchtigungen mit ungefährlichen Hobbies im Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Und bitte auch nicht zu viel Ausbildung und Erfahrung und Kompetenz, denn bedrohen lassen will man sich ja auch nicht in seiner Position, wenn man schon gnädigerweise neue Mitarbeiter einstellt. Für alle anderen wird´s leider immer enger. Und die, die entscheiden, sind meist heilfroh über ihre Position und dass sie einen Job haben. Zugegeben, das ist etwas überzeichnet, aber tendenziell wohl leider genau so derzeit gelebt. Warum ist das so?

3 Antworten als Versuch einer Erklärung

  1. Das sind großteils die Auswirkungen des ausschließlich formalen Abgleichs des Anforderungsprofils und der Bewerberkompetenzen. Genau zu wissen, was man braucht, ist wunderbar, das darf aber nicht alleine als Auswahlkriterium – neben dem Vorstellungsgespräch – herangezogen werden. Die vielen neuen Recruiting-Plattformen sind ein tolles Instrument zum Screenen von potentiellen Kandidaten, aber dann braucht es die Kompetenz und die Erfahrung des Recruiters, um zu entscheiden, wie wichtig ein Kriterium wirklich ist und ob nicht eine andere Eigenschaft des Bewerbers viel aussagekräftiger und sinnvoller ist auf der Suche nach DEM PASSENDEN KANDIDATEN oder DER PASSENDEN KANDIDATIN.
  2. Wir wollen alle nur das Beste und die Besten, alles andere geht nicht mehr. Eine zu sehr gebogene Banane, ein Fernseher mit schmutzigem Verpackungskarton, ein Mitarbeiter mit 90 von 100 geforderten Punkten ist einfach nicht mehr tragbar. Das Problem bei Menschen ist nur, dass die besten 10 % nie mehr werden können, also bleiben immer 90 % Nicht-Beste übrig. Wenn gute Arbeit und gute Leistungen nicht mehr reichen, dann darf man sich über eine riesige Zahl gefühlter Systemverlierer nicht wundern und man darf sich auch nicht wundern, dass die 10 % Besten nie für alle Unternehmen reichen können. Also ein Plädoyer für den Mittelstand und für eine Abkehr der meist sinnfreien wir-wollen-nur-die-Besten-Mentalität! Und ein Aufruf an HR, ihren Auftrag als Business Partner mehr einzufordern und wahrzunehmen.
  3. Die soziale Verantwortung hat früher viele Unternehmer dazu bewogen, „Bedürftige“ einzustellen, um ihnen einen Platz zu geben. Shareholder und Kostendruck erlauben es heute scheinbar nicht mehr, das Betriebsergebnis zu riskieren. Die Menschen und die Kosten für den schlechten Umgang mit ihnen landen im Sozialsystem – da wäre es doch gescheiter, sie ihren – oft bescheidenen – Beitrag leisten zu lassen, anstatt ihnen gar keine Chance zu geben und das auch noch voll finanzieren zu müssen. Es spricht also alles dafür, mit der vermehrten Berücksichtigung von Ethik in unseren Businessplänen gesamtwirtschaftlich ein besseres Ergebnis erzielen zu können. Und uns allen geht es außerdem noch viel besser dabei!

Bildquelle: www.pixabay.com

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