Liebe Bewerberinnen, liebe Bewerber! Wir haben ein gemeinsames Problem – unser gemeinsames Problem…
Wir sind Personaldienstleister und suchen Bewerber für unsere Kunden. Diese haben durchaus manchmal sehr eingeschränkte Vorstellungen, wen sie beschäftigen wollen und zu welchem Gehalt dies möglich sein soll. Das soll aber nicht das Thema hier sein.
Jetzt geht es darum, wie wir die am besten passenden Bewerber finden, deren Potential möglichst optimal darstellen können und weshalb uns das manchmal nicht leicht gemacht wird. Oder sagen wir es anders: Die Gründe, warum manche nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit einen neuen Job bekommen werden, und das unabhängig von allseits bekannten Schwierigkeiten bei der Jobsuche für Ältere, Frauen, Zuwanderer, Behinderte, Nicht-Österreicher allgemein und vielen anderen mehr.
Es geht mir hier um ein paar Eigenschaften, Einstellungen und Handlungen, mit denen zwar der Personalberater noch halbwegs gut zurechtkommt, aber spätestens beim Kunden ist für die meisten Personalvorschläge dann Endstation. Anders gesagt: Es gibt meist genug andere, die sich engagierter und besser präsentieren und deswegen im Bewerbungsverfahren in die nächste Runde kommen. Und das sind genau jene, die von den Kunden gesucht werden. Und wieder ist es unser gemeinsames Problem.
Unser gemeinsames Problem – ein paar Beispiele zur Veranschaulichung:
„Ich brauche mindestens 30 Wochenstunden mit € 2.200,- brutto.“ – Eine seit längerem arbeitslose Frau 50+ positionierte sich so.
Eine direkte Konkurrentin mit ähnlichen demografischen Eigenschaften sagte mir: „Am liebsten hätte ich 30 Wochenstunden mit mindestens € 2.400,- brutto, aber ich weiß, dass das sehr schwierig ist. Ich suche auch geringfügige Jobs mit Mindestentlohnung, um endlich aus der Arbeitslosigkeit raus- und in Unternehmen reinzukommen und mich so präsentieren zu können. Entweder tut sich dann eine Stundenerhöhung auf oder mir fällt es zumindest von dieser Basis aus leichter, auf einen besseren Job zu wechseln.“
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„Ich kann leider nur acht Stunden am Tag arbeiten, weil länger hält es mein Hund zuhause nicht alleine aus.“
Im Vergleich dazu: „Ich bin eine alleinerziehende Mutter, meine Tochter ist vier Jahre alt und geht in den Kindergarten. Für den Fall, dass sie krank wird, habe ich mich schon vorher um ein Betreuungsnetzwerk gekümmert, das in diesen Fällen einspringt. Das gilt auch für Mehr- und Überstunden, die meistens kein Problem sein werden.“
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„Ich habe mir eh schon überlegt, dass ich meine Bewerbungsunterlagen mal wieder adaptieren sollte. Sie sind ja doch schon zwei Jahre alt.“
Versus: „Ich habe die Unterlagen speziell für diese Jobausschreibung adaptiert und von Freunden gegenlesen lassen, um ja keine Fehler zu übersehen. Mit Internetrecherche und Fragen im Bekanntenkreis habe ich einige Infos gefunden, die ich ganz gut in das Motivationsschreiben einfließen lassen konnte.“
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„Die Unterlagen kann ich Ihnen leider nicht als pdf schicken, ich habe ja keinen Scanner.“ Hier ist eine Gegenüberstellung wohl nicht nötig.
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„Oh, das Unternehmen ist ja am anderen Ende von Wien, das geht dann leider nicht. Die Fahrtzeit muss man dann ja irgendwie dazurechnen und das wären dann fast zwei Stunden extra am Tag, das zahlt sich wirklich nicht aus.“
Und im Gegensatz dazu: „Ja, das Unternehmen liegt nicht besonders günstig für mich, aber ich kann die Zeit in der Straßenbahn ja für´s Lesen nutzen und wenn ich dann eine Zeit lang dabei bin, können wir ja schauen, ob die Arbeitszeit nicht so gelegt werden kann, dass ich nur an drei statt an vier Tagen arbeiten gehe.“
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„Wissen Sie, ich bewerbe mich ja eigentlich gar nicht mehr, weil ich sowieso nie eine Chance bekomme für ein Vorstellungsgespräch. Über 50 Bewerbungen hab ich schon abgeschickt, keine hat was gebracht.“
Versus: „Ich schaue, dass ich jede Woche zehn gut aufbereitete Bewerbungen verschicke und lese auch in den Ausschreibungen immer nach, ob es etwas Neues und Kurzfristiges gibt. Ich bin zwar frustriert, weil ich noch keinen Job gefunden habe, aber erstens gebe ich nicht auf und zweitens versuche ich auch immer, möglichst positiv zu wirken. Wenn ich eine Firma hätte, würde ich auch lieber die nehmen, die sich um ein gutes Miteinander bemühen und nicht die, die mit ihrer Stimmung das Klima vergiften und die eigene Motivation und die der anderen damit zerstört.
Diese Auflistung ließe sich – leider – noch viel länger fortführen. Unser gemeinsames Problem hat viele Gründe.
Und warum sagt mir das keiner (spätestens) beim Bewerbungsgespräch?
- Unternehmen vermeiden gerne unangenehme Gespräche. Das machen wir aber alle so, oder?
- Firmen verhindern so Diskussionen über den „Wahrheitsgehalt“ dieser Einschätzungen.
- Arbeitgeber vermeiden so Klagen wegen Diskriminierung. Das geringere Übel ist, sich als Nicht-Rückmelder in die Reihe der anderen zu begeben, die auch keine (substanziellen) Rückmeldungen geben.
Was tun?
- Nötigen Sie einen Ihrer besten Freunde, möglichst mit unternehmerischem Hintergrund, Ihnen die ungeschminkte Wahrheit zu sagen, warum Sie sich aus seiner Sicht schwer tun, einen Job zu finden! Und dies abseits der offensichtlichen Kriterien wie oben angeführt.
- Lesen Sie sich die Beispiele oben durch und reflektieren Sie! Könnte da etwas auch auf Sie zutreffen?
- Investieren Sie in einen professionellen Jobcoach, der Ihnen die unangenehme Wahrheit sagt. Wenn es diese nicht gäbe, hätten Sie nämlich wahrscheinlich schon einen Job.
- Bei Jobabsagen fragen Sie ruhig nach, woran es gelegen hat und was Sie in der Zukunft besser machen können!
Dieser Artikel ist kein Aufruf, sich selbst zu verleugnen oder seinen Wert am Arbeitsmarkt geringer anzusetzen und so das Gehaltsdumping zu forcieren. Das ist ein Aufruf für eine bessere Realitätseinschätzung, bei der man sich auch gerne helfen lassen kann und soll. Und dann entscheidet man, wie man mit dieser Einschätzung umgeht: Muss ich meine Vorstellungen adaptieren, sollte ich an meiner Selbstpräsentation arbeiten, hilft mir vielleicht auch ein Bewerbungstraining, und vieles mehr. Und außerdem: Die Chance auf Vorstellungstermine steigt mit der Anzahl und der Qualität der Bewerbungen. Je mehr Engagement man mitbringt und zeigt (bis hin zu ehrenamtlichen Tätigkeiten und Weiterbildungen), desto besser sind die Chancen. Jobgarantien gibt es dennoch keine.
Machen Sie es denen, die versuchen, Sie am Arbeitsmarkt unterzubringen, leichter! Und wenn Sie das oben schon alles befolgt haben und noch immer keinen Job finden: Bleiben Sie dran – viel Glück und alles Gute!